Nocke? Welche Nocke?

Vor einiger Zeit war es soweit: Mein 4. Zylinder wollte irgendwie nicht mehr. Natürlich denkt man nichts Böses und verdächtigt die Zündanlage. Also alles durchgecheckt, ohne Befund. Ok, das ist ja zunächst eine gutes Ergebnis, allerdings dämmert einem dann ziemlich schnell, dass alle anderen Fehlerursachen deutlich unangenehmer sein könnten. Also erstmal die Kompression gemessen. 12/12/12/11/11,5/12. Ok, der vierte Zylinder hat etwas weniger Kompression als die anderen, aber alles noch im grünen Bereich. 

 

Wie der geneigte Leser wahrscheinlich schon ahnt, macht das die Liste der möglichen Ursachen zwar kürzer, aber nicht besser. Vielleicht hängt ja nur ein Hydrostößel und muss freigespült werden. Also fix mal das Öl gewechselt und dann eine längere Tour gemacht in der Hoffnung, dass es weggeht. Nichts da...

 

Also blieb mir nur noch der Weg zum FOH. Meine Wahl war nicht schwer, auf zu Opel Kröger in Wedel. Dort findet immer zum 01. Mai ein Opel-Treffen statt und der Senior Michael Kröger versteht sein Handwerk. Mit unserem Roten waren wir wegen des Getriebes auch schon einmal dort und das Ergebnis hat voll überzeugt.  Also angerufen und einen Termin vereinbart.

 

 

Am Tag der Tage erschien ich pünktlich auf dem Hof, betrat entschlossen das Gebäude und schilderte mein Problem. Die erste Diagnose war ernüchternd: "Das dürfte die Nockenwelle sein". Also verließ ich mit dunklen Gedanken den Ort des Geschehens und wartete zuhause auf die endgültige Diagnose. Sie erreichte mich in Form eines Anrufs von Hr. Kröger mit der Bestätigung der ersten Diagnose. Netterweise hatten die Kollegen auch gleich ein Video gemacht, dass sehr anschaulich das Problem zeigte. Der Kipphebel des Einlassventils am vierten Zylinder rührt sich keinen Millimeter (die Audioqualität bitte ich zu entschuldigen):

Einige Tage später durfte ich meinen Commodore wieder in Empfang nehmen und mich von einem stattlichen Betrag trennen. Die alte Nockenwelle und zwei Hydrostößel habe ich mitgenommen, um diesen Artikel mit dem notwendigen Bildmaterial versehen zu können. 

 

Oben sieht man eine Nocke, wie sie sein sollte. Auch nach 90.000 km ist sie ohne Befund und im Vollbesitz Ihrer Nockenkräfte. 

 

Unten die Nocke für das Einlassventil am vierten Zylinder. Da war aber auch gar nichts mehr übrig. Nein, die Nocke verbirgt sich nicht auf der dunklen Seite der Welle, dort sieht es genauso aus. Absolut rund gelutscht. Grund für den Verschleiß ist eine mangelhafte Härtung schon bei der Produktion, was leider öfter vorgekommen sein soll. 

 

Ich bin jetzt kein Freund von wilden Spekulationen, aber man darf sich schon fragen, was eigentlich gewesen wäre, wenn es sich um die Nocke des Auslassventils gehandelt hätte. Wie reagiert so ein Zylinder darauf, wenn das nicht mehr aufmacht? Beim Einlassventil war der Fall klar: Kein Sprit, keine Zündung und gut. Deshalb war es auch möglich, das Fahrzeug in diesem Zustand noch ohne Probleme zu bewegen.

 

 

So sollte die Nocke eigentlich aussehen...
So sollte die Nocke eigentlich aussehen...
...und das war noch davon übrig!
...und das war noch davon übrig!

Dem dazugehörigen Hydrostößel hat das Ganze auch nicht wirklich gut getan.

 

Rechts seht Ihr ein Exemplar, dass mit einer intakten Nocke zu tun hatte und dem 90.000 km praktisch nichts angehabt haben. Das Foto täuscht etwas, die Oberfläche ist blitzsauber und absolut plan.

 

Links sein Kollege, der sich mit einem immer flacher werdenden Exemplar rumschlagen musste. Dabei hat er dann im Laufe der Zeit immer mehr die Form der Restnocke angenommen. Ein Bild des Jammers.

 

Nun sieht das Ganze so aus, als wäre der Stößel eingedellt. Weit gefehlt! Dadurch, dass die Nocke nicht ausreichend gehärtet war, konnte sich Abrieb bilden, der wie Schleifpaste gewirkt hat. In dem Maße, wie die Nocke runder wurde, wurde der Stößel immer tiefer. Das Motto lautet also: Steter Abrieb höhlt den Stößel. 

 

Wie sieht nun das Ergebnis nach der Operation aus? Der Patient lebt! Und wie! Der Motor läuft so seidenweich, dass man sich fragt, was BMW da eigentlich besser gemacht haben soll. Auch wenn ich ihm natürlich nicht die gleich die Sporen gebe, merkt man natürlich auch den besseren Durchzug durch den jetzt wieder voll mitarbeitenden vierten Zylinder. Es ist einfach nur die pure Freude, das Fahrzeug zu bewegen. Aber das war ja eigentlich schon immer so ;-)